Verarbeitete Lebensmittel
Genereller Stand der Thematik
Für eine erfolgreiche Gewichtsreduktion müssen wir langfristig im Kaloriendefizit sein. Hierfür gibt es verschiedenste Möglichkeiten. Wir können uns mehr bewegen, wir können mehr Eiweiß konsumieren, die Kalorienzufuhr beschränken oder umständlich versuchen die Rate des Grundumsatzes zu erhöhen. Der wichtigste Punkt bleibt jedoch die Ernährung.
Vor allem der Konsum hochverarbeiteter Lebensmittel ist mit einer Zunahme des Körpergewichts assoziiert. Zu den hochverarbeiteten Produkten zählen Lebensmittel die verzehrfertig sind und durch industrielle Verfahren und Lebensmittelzusätze hergestellt wurden. Gemäß der NOVA-Klassifikation können die Lebensmittel in eine von 4 Kategorien eingeteilt werden. [1]
NOVA-Klassifizierung
(Hoch)-Verarbeitete Lebensmittel enthalten deutlich weniger Nährstoffe und weisen eine höhere Energiedichte auf. Der Konsum stark verarbeiteter Lebensmittel steigt stetig an und könnte eine Hauptursache für die steigende Prävalenz von Adipositas darstellen.
Was wurde in der Studie untersucht?
In der vorliegenden Studie untersuchte ein Forscherteam, welche Faktoren dazu beitragen, dass Menschen dazu neigen mehr Energie aufzunehmen und weshalb welche Eigenschaften von Ernährungsweisen und Lebensmitteln unseren Abnehmerfolg vermindern. [2]
Verwendet wurden hierfür Daten aus zwei vorangegangenen Studien des Forscherteams um Dr. Kevin Hall. [3,4] Untersucht wurden 2733 Mahlzeiten aus 4 unterschiedlichen Ernährungsweisen (Low-Fett, Low-Carb, hochverarbeitete Mahlzeiten und unverarbeitete Mahlzeiten). Die Probanden durften in jeder Ernährungsweise so viel von den entsprechenden Mahlzeiten essen, wie sie wollten. Die Studien bildeten also eine reale Alltagssituation über mehrere Tage ab, in der die Nahrungszufuhr nicht künstlich eingeschränkt wird.
Interpretation der Ergebnisse
Die Ergebnisse der Untersuchungen gaben interessante Einblicke in das Essverhalten von Menschen auf unterschiedlichen „Diäten“. Obwohl die Studien nicht das Ziel hatten, eine Gewichtsreduktion herbeizuführen, zeigten sich 2 der 4 Ernährungsweisen als äußerst effektiv fürs Abnehmen. Sowohl unter einer pflanzenbasierten Low-Fett Ernährung als auch mit einer Ernährung aus unverarbeiteten Lebensmitteln, konnten die Probanden innerhalt von 14 Tagen ihr Körpergewicht reduzieren, obwohl sie dazu angehalten wurden, so viel zu essen, wie sie wollten.
Auch die Sättigung, das Hungergefühl, das generelle Wohlbefinden und die Zufriedenheit mit den zubereiteten Mahlzeiten wurde abgefragt. Hier gab es keinen Unterschied zu den beiden anderen Gruppen, die jeweils mit einer Gewichtszunahme einhergingen. Keine der 4 Ernährungsweisen war also überlegen, schmeckte besser oder schlechter und führte zu einem bessern Wohlbefinden als die anderen.
Die Forscher konnten allerdings drei relevante Einflussfaktoren erkennen, welche wohl verantwortlich dafür sind, dass Personen mit einer ketogenen Low-Carb Ernährung oder einer Ernährung aus hochverarbeiteten Lebensmitteln in der kurzen Zeit Gewicht zulegten:
Der erste Grund war die Energiedichte der Mahlzeiten bzw. der verzehrten Lebensmittel. Die Gruppe mit der Low-Carb Ernährung konsumierte mehr Nahrungsfett. Da Fett pro Gramm mehr als doppelt so viel Energie enthält wie Kohlenhydrate und Protein, haben auch die konsumierten Lebensmittel eine höhere Energiemenge.
Der zweite Grund, der damit einher geht, ist die Essgeschwindigkeit bzw. die Kalorienaufnahme pro Minute. In der Low-Fett Gruppe wurde zwar mehr Nahrung (bezogen auf das Gewicht) pro Zeiteinheit konsumiert, jedoch waren diese Lebensmittel trotz hohem Volumen vergleichsweise kalorienarm. Das liegt zum einen am reduzierten Fettgehalt, aber auch am hohen Ballaststoffanteil. In der Low-Carb Gruppe war die entsprechend aufgenommene Menge an Lebensmitteln dagegen deutlich kalorienreicher, sodass bei einem geringeren Nahrungsvolumen gleichzeitig mehr Energie aufgenommen wurde.
Als letzter Faktor ist vor allem die Menge an verarbeiteten Lebensmitteln mit einem höheren Kalorienkonsum und einer Gewichtszunahme assoziiert. Denn stark verarbeitete Lebensmittel sind mit einer geringeren Sättigung und damit mit erhöhtem Kalorienkonsum assoziiert, wenn die Nahrungsaufnahme, wie in den vorliegenden Studien, nicht limitiert wird.
Verglichen mit den anderen Ernährungsweisen konsumierten Probanden der Low-Carb Ernährung im Schnitt 700 kcal mehr pro Tag als die Low-Fett Ernährungsgruppe. Bei allen Probanden zeichnetet sich derselbe Trend ab: während der pflanzenbasierten Low-Fett Ernährung konsumierte jeder einzelne weniger Kalorien als auf der Low-Carb Ernährung. Dieser Effekt basierte wahrscheinlich lediglich darauf, dass die Low-Fett Ernährung eine bessere Sättigung und weniger Appetit auslöste.
Personen, die eine Ernährung mit vielen stark verarbeiteten Lebensmitteln zu sich nahmen, konsumierten im Schnitt 510 kcal mehr als die Gruppe mit unverarbeiteten Lebensmitteln. Davon stammten rund 280 kcal aus Kohlenhydraten und 230 aus Fetten. Der Proteinkonsum zwischen den Gruppen war unverändert.
Wie können wir die Ergebnisse einordnen?
Studien wie diese sind extrem spannend, da sie zum einen sehr gut kontrolliert werden, d.h. der exakte Kalorienverbrauch wurde gemessen (indirekte Kalorimetrie) sowie die Kalorien- und Nährstoffzufuhr exakt überwacht. Die Mahlzeiten wurden vom Forschungsteam bereitgestellt und die tatsächliche Aufnahme genau dokumentiert. Gleichzeitig erfolgt die Ernährung ähnlich wie bei Menschen außerhalb von Laborbedingungen. Diese sogenannte „ad libitum“ Ernährung erlaubt es den Probanden so viel zu essen, wie sie normalerweise auch essen würden, ganz ohne Einschränkungen. Da ihnen vorab auch nicht das genaue Ziel der Studie genannt wurde, waren sie darüber hinaus auch nicht voreingenommen und achteten nicht bewusst darauf, was sie aßen. Wir haben hier also sehr gute Daten, die uns aufzeigen, wie wir unter normalen Bedingungen auf unterschiedliche Ernährungsangebote reagieren.
Die Ergebnisse sind äußerst interessant, da vor allem ketogene Low-Carb Ernährungsweisen ganz häufig als überlegen dargestellt werden und unter ad-libitum Bedingungen sogar öfters vorteilhaft für eine Gewichtsreduktion ausfallen. [5] Womöglich könnte ein wichtiger Unterschied darin liegen, dass die Low-Carb Ernährung zu einem Großteil aus tierischen Produkten bestand und die Low-Fett Ernährung pflanzenbasiert war und demnach hohe Mengen Ballaststoffe enthielt.
Das Problem von hochverarbeiteten Lebensmitteln
Schon lange ist bekannt, dass der Konsum von hoch-verarbeiteten Lebensmitteln mit einer Zunahme an Kalorien einher geht. Die NOVA-Klassifikation gibt uns einen Einblick, was als hochverarbeitetes Lebensmittel gilt. Es gibt jedoch hier noch weitere Abstufungen, welche vor allem auf dem Verhältnis der eingesetzten Makronährstoffe bzw. Zusatzstoffe zueinander basieren. Typischerweise finden wir eine der folgenden 4 Kombinationen in stark verarbeiteten Lebensmitteln: [6]
- Hoher Fett- und Zuckergehalt
- Hoher Fett- und Salzgehalt
- Hoher Kohlenhydrat- und Salzgehalt
- Hoher Fett-, KH- und Salzgehalt
Weshalb diese Zusammensetzung aus Sicht der Lebensmittelindustrie sinnvoll ist, erfährst du im folgenden Abschnitt.
Viele der verarbeiteten Lebensmittel weisen oft weniger Protein auf als unverarbeitete Vergleichsprodukte. Protein hat viele positive Eigenschaften. Eine davon ist ein höherer Sättigungseffekt. Das basiert auf der Freisetzung sogenannter „Inkretine“ nach dem Konsum proteinhaltiger Nahrung. [7] Diese im Darm freigesetzten Hormone – GIP und GLP-1 – können zur Insulinsekretion beitragen und infolgedessen auch den Leptinspiegel (unser dominantes Sättigungshormon) erhöhen. Zu erwähnen ist, dass der sättigende Effekt von Protein nicht linear ansteigt, sondern ab einer Menge von 1,2-1,6 g/kg KG wohl keinen zusätzlich Sättigungseffekt mehr hat. [8,9] Das bedeutet, dass es nicht nötig zu sein scheint, mit jeder Mahlzeit Unmengen Eiweiß zu konsumieren. 20-40 g werden für die meisten Personen bzgl. des sättigenden Effektes ausreichen sein und bezogen auf die Muskelproteinsynthese ergeben sich hier ebenso optimale Effekte. [10]
Gleichzeitig fördert eine proteinreiche Mahlzeit den Kalorienverbrauch durch einen höheren thermischen Effekt – also einen höheren Energieverbrauch durch die energieaufwendige Verdauung. [11] Daneben wird diskutiert, ob ein hoher Proteinkonsum den Energieverbrauch, durch eine Erhöhung des Grundumsatzes oder der unwillkürlichen Bewegung, erhöht. [12] Proteine können in Lebensmitteln also dazu beitragen mehr Energie zu verbrauchen und weniger Energie aufzunehmen.
Neben dem reduzierten Proteingehalt weisen stark verarbeitete Lebensmittel in der Regel auch deutlich weniger Ballaststoffe auf. Ballaststoffe sind die Makronährstoffe mit der ausgeprägtesten Sättigungswirkung. [13] Das liegt an ihrem hohen Volumen und der Möglichkeit zum Aufquellen, was einen Dehnungsreiz und nachfolgende Sättigungssignale auslöst. [14]
Der wohl wichtigste Effekt, der bei verarbeiteten Lebensmitteln beachtet werden muss, ist der sogenannte „Blisspoint“. Unter diesem „Glückspunkt“ versteht man in der Lebensmitteltechnologie die optimale Zusammensetzung von Kohlenhydraten, Fetten und Salz. Denn bei bestimmten Mengenverhältnissen nehmen wir die Lebensmittel nicht als zu süß oder zu salzig wahr, sondern als genau richtig. Dieses „optimale“ Verhältnis der drei genannten Stoffe führt dazu, dass wir immer mehr von den Nahrungsmitteln wollen – auch wenn wir längst satt sind. [15] Denn jeder dieser Stoffe hat und hatte wichtige Funktionen im Laufe der Evolutionsgeschichte und für unsere Gesundheit.
Salz ist ein lebensnotwendiges Mineral für unseren Körper und dient dem Aufrechterhalten des Elektrolytgleichgewichts der Zellen und reguliert den Wasserhaushalt. [16] Der Salzhaushalt im Körper wird streng reguliert, wenn jedoch eine längere Phase mit zu geringem Salzkonsum eintritt, entwickelt das Gehirn ein verstärktes Verlangen nach salzhaltigen Lebensmitteln.
Einfache Zucker stimulieren seit jeher unser Belohnungszentrum. Während bittere und saure Geschmackseindrücke in der Evolutionsgeschichte häufig auf ungenießbare Lebensmittel hindeuteten, ist ein süßer Geschmack in der Regel mit einer sicheren und schnellen Energiequelle assoziiert. Daneben wird unser Gehirn schon vor und nach der Geburt auf einen süßen Geschmack konditioniert – durch Zucker im Fruchtwasser und durch Laktose in der Muttermilch.
Fett ist der optimale Makronährstoff, um uns mit Energie zu versorgen. Bei gleichem Volumen speichert Fett mehr als doppelt so viel Energie wie die anderen Makronährstoffe. Gleichzeitig ist Fett ein wichtiger Geschmacksträger. Beide Eigenschaften trugen im Laufe der Entwicklung des Menschen dazu bei, dass fetthaltige Lebensmittel ein beliebter Bestandteil der Nahrung waren. Mittlerweile ist sogar bekannt, dass Fettrezeptoren im Mund existieren, [17] welche möglicherweise ebenfalls einen Einfluss darauf haben können, wie wir Fett in Lebensmitteln wahrnehmen. [18]
Neben diesen wichtigen Nährstoffen die hauptsächlich für den Blisspoint verantwortlich sind, gibt es allerdings noch andere Einflussfaktoren, die sich darauf auswirken, wie viel wir von einem Lebensmittel essen.
Insbesondere die Textur des Lebensmittels trägt zum wichtigen Mundgefühl bei, welches uns veranlasst mehr von einem Produkt zu konsumieren. Lebensmittel die weicher sind, weniger Volumen haben, dazu tendieren flüssig zu sein oder flüssige Bestandteile besitzen, reduzieren die Sättigung und führen dazu, dass wir mehr Kalorien einnehmen. [19,20]
All diese Einzelbestandteile können dazu führen, dass unserem Gehirn eine Geschmacksexplosion signalisiert wird. Die optimale Kombination aus überlebenswichtigen Nährstoffen bei gleichzeitig angenehmem Mundgefühl führt zu einer gesteigerten Aktivität im Belohnungszentrum des Gehirns. Das Gehirn reagiert mit einer gesteigerten Dopaminausschüttung, welche langfristig das Verlangen steigern kann, den Auslöser für die Dopaminausschüttung zu wiederholen.
Exkurs: Belohnungszentrum
Der Nucleus accumbens wird häufig auch Belohnungszentrum des Gehirns genannt. Er ist daran beteiligt Motivation, Glücksgefühle aber auch Abhängigkeit zu erzeugen. Bei positiven Erlebnissen oder Aktivitäten werden dopaminerge Neurone (Nervenzellen deren Neurotransmitter Dopamin ist) aktiviert. Dopamin wird in den synaptischen Spalt ausgeschüttet und bindet an die Dopamin Rezeptoren der folgenden Nervenzelle. Wir nehmen das als Glücksgefühle wie Freude wahr.
Durch die Ausschüttung von Dopamin belohnt unser Körper unser Verhalten. So wird Dopamin beispielsweise nach Nahrungsaufnahme, Sex, Lernen oder angenehmen Aktivitäten ausgeschüttet. Ein Erklärungsversuch hierfür ist, dass wir durch diese Prozesse weiter angetrieben werden, was letztlich unsere Fortpflanzung und das Bestehen als Art gesichert hat.
Interessant ist, dass die Dopaminausschüttung nicht nur während oder nach einer Aktivität erfolgt, sondern hauptsächlich schon davor. Dopamin ist also viel weniger ein Hormon was uns für abgeschlossene Aktivitäten belohnt, und vielmehr ein Neurotransmitter, der uns zu bestimmten Tätigkeiten verleitet. Das Verlangen erlischt meist, sobald die Befriedigung einsetzt. Für das nachfolgende Glücksgefühl sind andere Stoffe wie Endorphine verantwortlich. Diese endogenen Morphin-ähnlichen Substanzen, die an demselben Rezeptoren wirken wie Opiate, können Nervensignale unterbinden und so zum Beispiel negative Gefühle wie auch Schmerz unterdrücken. Das kann in hohen Mengen bis zum euphorischen Rausch führen.
Verschiedene Drogen wie Kokain sind in der Lage die Wiederaufnahme des Dopamins zu verhindern, sodass die Transmitterkonzentration im synaptischen Spalt erhöht wird und die Glücksgefühle deutlich länger anhalten und intensiver sind. [21] Solche Substanzen können Abhängigkeiten hervorrufen, da unser Gehirn mit der Zeit gegenüber der Dopaminwirkung abstumpft. Wir benötigen immer mehr, um dieselben Glücksgefühle zu produzieren.
Unterliegen wir einer solchen Sucht ist unser Verhalten sehr stark „belohnungsgetrieben“. Das heißt wir nehmen Verhaltensweisen an, die darauf ausgerichtet sind, diese Glücksgefühle wieder hervorzurufen.
Natürliche Verhaltensweisen, die ebenso dazu motivieren Glücksmomente zu jagen, unterscheiden sich von einer Abhängigkeit dadurch, dass sie irgendwann eine Sättigung erreichen. Bei einer Sucht fällt diese Sättigung weg und suchterregende Substanzen oder Verhaltensweisen führen eher dazu, dass wir noch mehr davon benötigen. Die Erzeugung des Glücksgefühls nimmt dadurch die oberste Priorität an. Gleichzeitig muss die Frequenz oder die zugeführte Menge langfristig gesteigert werden, da der Körper eine Toleranz gegen viele der Auslöser ausbilden kann.
Da das Gehirn sich merkt, welches Handlungen oder welcher Stoff zu dem Glücksgefühl geführt hat, wird das Verlangen nach dem Auslöser erhöht. Auch wenn es keine klaren Hinweise dafür gibt, dass z.B. regelmäßiger Fastfood Konsum einer Abhängigkeit gleichkommt, so wissen wir doch, dass beim Konsum von hochverarbeiteten Lebensmitteln dieselben Hirnareale gereizt werden und zur Dopaminausschüttung führen. [22] Gleichzeitig wird das Gehirn auf den Auslöser (Fastfood) sensibilisiert, sodass oft schon nur der Anblick des Essens dazu führen kann, dass wir die entsprechenden Lebensmittel verlangen was zu impulsivem Kauf- und Konsumverhalten beitragen kann. [23] In einer Gesellschaft, in der hochverarbeitete Lebensmittel allgegenwärtig sind und beworben werden, kann das fatale Folgen haben.
Tricks der Lebensmittelindustrie
Howard Moskowitz war Lebensmitteltechnologe, Marktforscher und promovierte in Harvard im Bereich der Psychophysik. Er war der Entdecker des Blisspoints und optimierte die Zusammensetzung zahlreicher Lebensmittel dahingehend, dass Verbrauch sie besonders attraktiv fanden.
Wichtig zu verstehen ist, dass es nicht einen einzigen blisspoint gibt der in allen Lebensmitteln gleich ist. Es gibt für unterschiedliche Lebensmittelkategorien verschiedene optimale Zusammensetzungen. Zum einen, weil unterschiedliche Menschen aufgrund verschiedener genetischer Ausprägungen andere Vorlieben haben. Zum anderen aber auch, weil nicht alle sensorischen Eigenschaften in einem Lebensmittel kombiniert werden können.
Süß, salzig, crunchy, zart, flüssig, fest, reichhaltig, ein angenehmes Mundgefühl, würzig, Einsatz von Geschmacksverstärkern und viele weitere Faktoren können genutzt werden, um ein Lebensmittel geschmacklich so zu optimieren, dass die Dopaminausschüttung verstärkt wird.
Ein weiterer Trick der Lebensmittelindustrie ist das Umgehen der „spezifischen sensorischen Sättigung“. Unter diesem Mechanismus verstehen wir einfach gesagt eine Abneigung gegenüber Lebensmitteln, die wiederholt eingenommen werden. Wir schützen uns dadurch vor einer zu einseitigen Ernährung und folgenden Nährstoffmängeln. Unser Gehirn reagiert vor allem auf sehr intensive, dominante Geschmackseindrücke eines Lebensmittels und reduziert bei zu häufiger Exposition das Glücksgefühl und erhöht die Abneigung. Nahrungsmittelhersteller formulieren die Lebensmittel daher so, dass es nicht einen Geschmacksträger gibt, der alle anderen übertrifft, sondern so, dass es eine möglichst gleichmäßige Verteilung der sensorischen Eigenschaften gibt. [24] Hierfür werden wieder Zucker, Fett, Salz und Geschmacksverstärker auf unterschiedliche Weise kombiniert. Und diese Herangehensweise wird seit Jahrzehnten so durchgeführt. „When in doubt, add sugar“ ist hier das typische Vorgehen. Der Einsatz von Zucker in allen möglichen Lebensmitteln führt dazu, dass die Konsistenz und das Mundgefühl angenehmer werden und gleichzeitig die intensiven sensorischen Geschmackseindrücke „verdünnt“ werden. Als weiterer Nebeneffekt helfen günstige Inhaltsstoffe wie Zucker, Salz und Fett dabei die Lebensmittelpreise zu drücken und somit noch ansprechender für den Endverbraucher zu werden.
Ein letzter eher unbekannter Trick ist das Nutzen der „vanishing caloric density“. Ein Effekt, bei dem unser Gehirn ein Lebensmittelmittel als „kalorienlos“ einstuft, wenn es sich im Mund auflöst. Steven Witherly war der erste, der dieses Phänomen beschrieb und für unterschiedliche Lebensmittel einsetzte. Erdnussflips sind wohl ein Paradebeispiel für den Effekt. Dieser fettige und salzhaltige Snack schmilz im Mund im wahrsten Sinne des Wortes dahin. Wir nehmen den Geschmack wahr, unser Gehirn kann die Kalorienmenge aber nicht begreifen – zumindest nicht, bis wir die Tüte geleert haben. Durch das Auflösen des Lebensmittels verschwimmen alle Geschmackseindrücke miteinander. Dadurch umgehen wir die Effekte der sensorischen spezifischen Sättigung und haben nicht das Bedürfnis aufzuhören ein Lebensmittel zu essen.
Was kannst du mitnehmen?
Wir haben uns verschiedene Nährstoffe und Ernährungsweisen angesehen und deren Wirkung auf unsere Sättigung und auf das Verlangen nach Nahrung analysiert. Aus den vorliegenden Studien lassen sich wertvolle Tipps für den Umgang mit Lebensmitteln ableiten:
- Unverarbeitete Lebensmittel priorisieren
- Proteinreiche Mahlzeiten
- Ballaststoffquellen in jeder Mahlzeit
- Langsam essen
- Kaloriendichte, fetthaltige Lebensmittel reduzieren
- Nutze die Tricks der Lebensmittelindustrie
Viele Menschen können mit unverarbeiteten Lebensmitteln nicht viel anfangen. Sie schmecken nicht so gut und haben kein angenehmes Mundgefühl. Wir können diese Nahrungsmittel aber genauso zubereiten, wie es die Lebensmittelindustrie macht – nur gesünder.
Die Kombination von unterschiedlichen sensorischen Eigenschaften macht aus jedem langweiligen Lebensmittel eine schmackhafte naturbelassene Mahlzeit. Die Zugabe von Salz, Zucker (Sirup, Agavendicksaft, Honig), Säuren (Zitrone, Essig) und etwas Öl (Oliven, Raps) kann jedes geschmacklose Gemüse aufwerten. Wenn wir uns noch weitere zunutze machen wollen, können wir durch die Kochdauer eine weiche oder bissfeste Konsistenz hervorbringen. Bei vielen Speisen führt eine härtere Konsistenz dazu, dass wir weniger vom entsprechenden Lebensmittel konsumieren. Bei Backwaren kann das zum Beispiel durch die Zugabe hochwertiger, nährstoffreicher Mehle oder geschroteter Samen erfolgen.
Literaturverzeichnis
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